FILMWERKSTATT 2023
Wir Zuschauer*innen wurden in schwindlige Höhen der Hochschaukel im Wiener Prater gebracht, während wir den Gedanken der Protagonistin über Zugehörigkeit und Identität folgten. Wir wurden mit seltsamen Texturen und den Fremdkörpern in unseren Körpern konfrontiert, und dem Appell einer Biohackingkünstlerin, das Fremde und sogleich sich selbst anzunehmen. Dann wurde tief ein- und ausgeatmet: im Park, am See, unter Bäumen und freiem Himmel, zwischen Bienen und Gras. Und wir spürten und hörten dabei die Lebendigkeit und Fragilität von allem, was lebt. Dann folgte das Kontrastprogramm: Harte Kanten, viel Beton, ein starres Schaukelpferd am Spielplatz. Ein rhythmisches, ästhetisches und zugleich traumähnliches Erkunden der Architektur der Seestadt. Auch im nächsten Film ging es um Träume, aber vor allem den Alptraum, die eigene Freiheit zu verlieren, der für einen Betroffenen im Maßnahmenvollzug Realität wurde. Und schlussendlich wurde gewartet: Auf U-Bahnen, auf Taxigäste, auf die gewaschene Wäsche, auf Kunden im Geschäft. Aber auch auf Asyl und die Familienzusammenführung.
All das sind Szenen der kurzen Dokumentarfilme, die die Teilnehmer*innen der heurigen Filmwerkstatt in zehn Tagen (26.4-7.5.2023) konzipiert, gedreht und vorgeführt haben. Sie ergeben ein eindrucksvolles Kaleidoskop der gemeinsamen Auseinandersetzung mit dem heurigen Thema der ethnocineca: Liminalities und Schwebezustände; und der gemeinsamen Auseinandersetzung mit dem dokumentarischen und ethnographischen Filmschaffen.
Konkret bekamen die 22 Teilnehmer*innen spannende Inputs (insgesamt 16 Stunden an fünf Tagen) von herausragenden Filmschaffenden und Anthropologinnen. Darunter von Filmemacher Patric Chiha, der in seinem zweitägigen Workshop unter anderem dazu anregte, in Schaffungsprozessen offen zu bleiben, Intuitionen zu folgen und Protagonist*innen mit Liebe und Flexibilität zu begegnen. Bereits das zweite Jahr infolge erklärte und zeigte Kameramann Serafin Spitzer, wie er seine Arbeit macht: nämlich ebenfalls mit viel Intuition, Offenheit und Feingefühl. Erstmals gab es heuer zusätzlich zu den Vorträgen von den Anthropologinnen Prof. Sanderien Verstappen und Sophie Wagner über Visuelle Anthropologie (Entstehung, Grundlagen und aktuelle Debatten und Methoden) auch eine Kooperation mit dem Vienna Visual Anthropology Lab der Uni Wien, das den Teilnehmer:innen Filmequipment zur Verfügung gestellt und dieses in einem Praxisworkshop (von Viktoria Paar) erklärt und vorgeführt hat. Dazu gab es in den fünf Workshoptagen auch vier mehrstündige Arbeitseinheiten, in denen die Teilnehmer*innen ihre Konzepte in Kleingruppen für die Filme entwickelt haben. Gedreht und geschnitten wurde an den folgenden sieben Tagen von 1.5-7.5. Anschließend haben die Filme am 10.Mai ihre Premiere im Rahmen der ethnocineca im Votivkino gefeiert. Das war die Filmwerkstatt 2023. Kuratiert und begleitet wurde sie von Sophie Wagner und Flora Mory. Mit dankenswerter Unterstützung von Norina Deuerling.
Wer Interesse an der Filmwerkstatt hat, und über die nächste Auflage informiert werden will, der schaut am besten regelmäßig hier oder auf unseren Socials vorbei oder meldet sich für den Newsletter der ethnocineca an. Der nächste Call erfolgt planmäßig Anfang 2024.
>>> INFO SHEET FILMWERKSTATT 2023 (pdf in German)