FILMKLUB 2016 im Volkskundemuseum Wien
PROGRAMM
21.01.2016
LAST STOP
Julie Shles | Israel 2014 | 77 Min. | OmeU
Ein weites und bedrohliches Labyrinth liegt im Herzen Tel Aviv’s: die Central Bus Station. In der Busstation und ihrer Umgebung leben Tausende neu angekommene Geflüchtete, ArbeitsmigrantInnen und verarmte jüdische Familien. Das „Labyrinth“ ist ihr Lebensmittelpunkt. Das Chaos regiert und rassistische Übergriffe gehören zum Alltag. „Last Stop“ nähert sich mit einem multiperspektivischen Ansatz den oft prekären Lebensrealitäten seiner ProtagonistInnen und vermag es, die einzelnen Menschen und ihre Schicksale eindringlich näherzubringen.
18.02.2016
HINTERWELTEN
Lion Bischof, Jonas Heldt, Felicitas Sonvilla | Deutschland 2014 | 46 Min. | OmdU
Ein verliebter Skinhead, seine Freundin, die nach Berlin will, und zwei Metalldiebe auf Streifzug nach Crystal Meth und Kupfer. Ein zurückgezogener und zugleich schillernder Lebenskünstler, der mit seinen Parties Glanz ins Grau holt und seine Freundin, die einfach nur die Liebe finden will – sie alle wirken verloren in diesem rätselhaften deutschen Landstrich an der Grenze zu Tschechien. Episodenhaft erzählt Hinterwelten Geschichten Jugendlicher auf dem Land und nimmt die ZuschauerInnen mit auf eine Sinnsuche mit offenem Ende.
17.03.2016
KINGS OF THE WIND AND ELECTRIC QUEENS
Cédric Dupire, Gaspard Kuentz | Indien, Frankreich 2014 | 56 Min. | OmeU
Das Sonepur Volksfest in Bihar (Indien), gleichsam Viehmarkt und gigantischer Rummelplatz, öffnet seine Pforten: Es ist ein Ereignis wie kein anderes – ein magisches und farbenprächtiges Treiben, getragen von einer bunten Menge an Tänzerinnen, Exorzisten, Stuntmen, Elefantendompteuren und Pferderennen. Begleitet von ekstatischen Trommelgeräuschen bewegen sie sich durch die staubige und heiße Luft Bihars. Ein Film voll sinnlicher Extravaganz, der in seiner Bedeutung vielschichtiger nicht sein könnte.
21.04.2016
ICAROS
Georgina Barreiro | Peru, Argentinien 2014 | 71 Min. | OmeU
Wie Mensch und Natur im sensiblen Gleichgewicht einer kosmologischen Ordnung zueinanderstehen, bleibt im Alltagsleben unergründet. Nicht so in der spirituellen Welt der Shipibo Indianer im peruanischen Amazonasgebiet, die sich dem Zuseher hier bildstark erschließt. Mit Hilfe eines Schamanen und seiner Mutter, Meisterin der Heilkunst, studiert der junge Mokan Rono in der Abgeschiedenheit des Waldes das traditionelle Wissen über die Heil- und Ritualpflanze Ayahuasca. Eine Einladung in eine faszinierende Reise durch Zeit und Raum.
15.09.2016
FEST OF DUTY
Firouzeh Khosrovani | Iran 2014 | 60 Min. | OmeU
Firouzeh Khosrovani begleitet, die Kamera geschultert und mit bemerkenswert intuitivem Gespür, zwei 9-jährige Mädchen während des Fest of Duty in Teheran. Das Fest, bei dem sie über ihre religiösen Pflichten aufgeklärt werden. Acht Jahre später kehrt die Regisseurin nach Teheran zurück. Während Maryam den Hijab mit voller Überzeugung trägt, träumt Melika davon, einmal eine berühmte Schauspielerin zu werden. Nicht nur ein „Coming of Age“ Film, der an der Seite von zwei Mädchen über das Erwachsenwerden und die Vielstimmigkeit von Religion erzählt, sondern auch auf sehr einfühlsame und lebendige Weise die Bedeutung von Familie im religiösen Zusammenhang erforscht.
20.10.2016
BINTOU
Simone Catharina Gaul | Burkina Faso, Deutschland 2015 | 64 Min. | OmeU
Bintou lebt in Burkina Faso und träumt von einer Karriere als Schneiderin in Europa. Mit diesem Ziel vor Augen verliert sie trotz prekärer Lebensumstände nicht die Hoffnung und spart jeden Cent für ihre Zukunft und die ihrer Tochter. Die Nähe zwischen Filmemacherin und Protagonistin ermöglicht das Porträt einer starken Frau, deren Hoffnung auf ein besseres Leben umso beeindruckender wird, je mehr sich das Geheimnis ihrer Vergangenheit lüftet.
24.11.2016
MINOR BORDER
Lisbeth Kovacic | Österreich 2015 | 25 Min. | OmeU
Auf dem Papier sind die Grenzkontrollen zwischen Österreich und Ungarn längst Geschichte. Desolate Zollanlagen werden abgebaut oder verwahrlosen. Während die Kamera diese Prozesse in den Fokus rückt, werden Interviews mit AnwohnerInnen und TransitmigrantInnen zu einem inszenierten Gedankenaustausch über die vermeintliche Bewegungsfreiheit in Zeiten von Schengen montiert. Eine subtile Ortserkundung im filmischen Grenzland von Fakt und Emotion.
ENFIN J’AVAIS QUITTÉ LE BLED
aufenthaltsraum | Österreich 2013 | 40 Min.
VORFILM: VOYAGE A L’INCONNU
aufenthaltsraum | Österreich 2013 | Kinospot | 30 Sek.
„Und wenn sie mir keine Papiere geben? Das ist mir egal! Ich bleibe! Ich bin ein professioneller Harrag!“
‚Harraga‘ brechen mit dem Regime der nationalstaatlich sanktionierten Identität: Mit dem arabischen Wort bezeichnen sich Menschen, die ihre Ausweise oder Pässe verbrennen und oft genug auch ihre eigene Jugend. Nicht nur um übers Mittelmeer oder andere Routen nach Europa zu reisen, sondern auch um irgendwo anders als im ‚Bled‘ – dem Ort ihrer Jugend und Herkunft – ihr Glück zu finden. Sie brechen mit fundamentalen Regeln, wenn sie sich dem Blick entziehen und sich unwahrnehmbar machen. So werden sie innerhalb der löchrigen und aufgeschreckten Festung Europa zum Objekt von Statistiken und medialen Darstellungen, wie zuletzt etwa vor der pelagischen Insel Lampedusa. Der Kurzfilm ‚Und schließlich bin ich abgehauen!‘ durchbricht diese Repräsentationen. Der von der Gruppe aufenthaltsraum, bestehend aus Harragas und Europäer_innen, erarbeitete Film lässt uns ihre Stimmen vernehmen: Sie erzählen von den täglichen Polizeischikanen, denen Harraga ausgesetzt sind, vom Leben auf der Flucht vor den eigenen Fingerabdrücken und vom ungebrochenen Wunsch nach einem Leben in Freiheit.
Konsequent bleiben im Film die Sprechenden unsichtbar. Die Montage trennt Gesichter und Stimmen und wird zu einem kollektiven Porträt einer Bewegung im Raum, die sich dem Grenzregime Europas entziehen will. Während wir die Erzählung eines Mannes aus Dakar hören, blicken wir aus einer Schnellbahn, die Wien mit dem Vorort Traiskirchen verbindet, wo sich ein staatliches Lager für Asylsuchende befindet. Während wir die Stimme eines Mannes aus Oujda hören, flieht der Asphalt einer österreichischen Straße an uns vorbei: Konkrete Bewegungen im Raum und Stimmen. Nur einer, Yassine Zaaitar, tritt vor die Kamera und wagt es, sein Gesicht und seine passionierte Rede der Öffentlichkeit auszusetzen und interviewt die anderen.
15.12.2016
GEZOINDELACH
Efrat Berger | Israel 2015 | 28 Min. | OmeU
Der 19-jährige Yehuda wuchs in einer chassidischen Familie auf. Nach einer Phase der Zweifel und innerer Zerrissenheit beschließt er, das letzte Symbol seiner religiösen Vergangenheit, seine Gezoindelach (Schläfenlocken), abzuschneiden. Die Kamera folgt Yehuda und seinen Freunden auf ihren ersten Schritten in eine „neue“ Welt. Ein eindringlicher Film über die Entscheidung für ein säkulares Leben mit all den damit verbundenen Folgen.
LA BESTIA
Gisela Carbajal Rodríguez und Konstantin Steinbichler | Mexiko, Deutschland 2015 | 29 Min. | OmeU
Sie faucht, sie rast und bahnt sich ihren Weg: La Bestia. So nennen MigrantInnen aus Zentralamerika jene Züge, auf die sie aufspringen und mit denen sie Mexiko durchqueren, um in die USA zu gelangen. Dieses Transportmittel ist Chance und Bedrohung zugleich, denn La Bestia gibt den Reisenden nicht nur Hoffnung, sondern nimmt manchmal auch ein Bein oder gar ein Leben. Dieses intensive filmische Porträt gibt ansonsten anonymen Menschen eine Stimme.
FELLOW TRAVELERS
Linas Mikuta | Litauen 2015 | 17 Min. | OmeU
Litauen im Dezember, ein dunkler Wintertag. Unabhängig voneinander erzählen drei AutostopperInnen über ihr Leben, ihre Perspektiven, ihre Wünsche. So verschieden die Persönlichkeiten, so verschieden die Ansichten und Erlebnisse, deren Schnittmenge ein faszinierendes Bild der Gesellschaft Litauens entwirft. Ein Plädoyer für das Leben mit all seinen positiven und negativen Facetten. Eine einfache Idee, die in einem großartigen Film resultiert.